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14 Ausblick {Zurück ins Gleichgewicht}

Ein großer Irrtum?

Als diese Schautafel im Jahr 2017 konzipiert wurde, gingen die meisten davon aus, dass, wenn man das 2-Grad Ziel knapp verfehlen würde, der Temperaturanstieg nur etwas höher ausfallen würde. Je nachdem wie viel CO2 die Menschheit zusätzlich ausstößt, so die Annahme, würde sich die globale Durchschnittstemperatur um beispielsweise 2,1 Grad, 2,5 Grad oder 2,8 Grad erhöhen, bevor sich ein neues Gleichgewicht einstellt. Doch das ist wahrscheinlich ein großer Irrtum.

Kippt das System?

Eine Studie aus dem Jahr 2018 (Steffen et al. 2018) zeigt, dass das gesamte System kippen kann. Mit jedem Zehntel Grad Temperaturerhöhung steigt das Risiko von Kettenreaktionen, die sich selbst verstärken und ab einem gewissen Schwellenwert, dem Kipppunkt, nicht mehr zu stoppen sind.
Es gibt eine ganze Reihen von solchen selbstverstärkenden Prozessen (vgl. PIK zu Kippelementen), unter anderem:

  • Je wärmer es wird, desto weniger Meereis bedeckt den arktischen Ozean. Dann wird weniger Sonnenstrahlung ins All zurück reflektiert und das Meer erwärmt sich noch stärker. Ein Teufelskreis.
  • Je wärmer es wird, desto schneller tauen die Dauerfrostböden im hohen Norden auf und entlassen Methan und CO2 in die Atmosphäre. Beide Treibhausgase tragen wiederum zur globalen Erwärmung und damit, unter anderem, zum beschleunigten Auftauprozess der Dauerfrostböden bei.
  • Je schneller sich das Klima erwärmt, desto mehr Ökosysteme brechen in Folge häufigerer Hitze, Dürre und Feuer zusammen. Dadurch gelangt in Wäldern gespeichertes CO2 in die Atmosphäre, so dass die Klimaerwärmung weiter beschleunigt wird.
    (Bislang wirken Wälder dämpfend auf den Klimawandel. Der erhöhte CO2-Gehalt in der Luft lässt sie schneller wachsen, d.h. die Bäume können mehr CO2 binden und speichern. Das könnte sich aber ändern, wenn Wälder aufgrund von längeren Dürreperioden langsamer wachsen oder gar absterben.)
  • In den Tiefen der Meere gibt es große Mengen gefrorener Methanhydrate, die instabil werden können, wenn sich das Wasser allmählich erwärmt. Frei werdendes Methan trägt zusätzlich zur Erderwärmung bei und damit zur weiteren Erwärmung der Meere, wodurch wiederum weitere Methanhydrate tauen.

Ein Dominoeffekt

Die meisten dieser selbstverstärkenden Prozesse wirken zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Manche reagieren empfindlicher, andere mit deutlicher Zeitverzögerung.

So lange das Klima nur geringfügig erwärmt ist, sind auch diese natürlichen Rückkopplungseffekte nur schwach. Würde die Menschheit allerdings so viel CO2 freisetzen, dass die Temperatur bis 2100 allein aufgrund der Nutzung fossiler Brennstoffe - theoretisch - um 2 Grad steigen würde, dann würde es wohl tatsächlich noch deutlich wärmer. Die natürlichen Selbstverstärkerprozesse könnten dann nach einer Abschätzung der Forschergruppe um Steffen zusätzlich etwa 0,5 Grad zur Erderwärmung beisteuern. Das heißt, Ende des 21. Jahrhunderts würde es tatsächlich bereits 2,5 Grad wärmer.

Ein halbes Grad zusätzliche Temperaturerhöhung, das mag nach nicht viel klingen, könnte aber dramatische Folgen haben. Denn irgendwann wird der Punkt erreicht, ab dem manche dieser selbstverstärkenden Prozesse „kippen“: Einmal vom Menschen angestoßen würden sie ganz von alleine weiterlaufen, selbst wenn die Menschheit überhaupt keine Treibhausgase mehr freisetzt. Solche Kippelemente könnten einen Dominoeffekt auslösen.

Das gesamte Klimasystem würde dann kippen. Ein sprunghafter Temperaturanstieg um 4 oder 5 Grad (vielleicht auch mehr) gegenüber dem vorindustriellen Temperaturniveau wäre kaum zu verhindern. Die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen eines globalen Heißklimas mit im Meer versinkenden Küstenmetropolen wären unabsehbar.

Wir wissen nicht genug

Viele dieser Kippelemente sind noch nicht gut erforscht und nur unzureichend in den Modellen des Weltklimarats berücksichtigt (Chu et al. 2018). Niemand kann heute genau sagen, wo der Kipppunkt für das Gesamtsystem liegt. Steffen et al. befürchten, dass das ursprüngliche 2-Grad-Ziel des Weltklimarates bereits das Risiko birgt, dass solche Selbstläufer und Dominoeffekte ausgelöst werden könnten.

Mehr zum Thema

Zusatzinfo (Stand 2019) zur Schautafel (313,1 KB)‚Gleichgewicht‘ mit Einordnung der Szenarien zur „schnellen und langsamen Energiewende“:


Schautafel zum Download als pdf (523,4 KB)